Vom Office zum Inspirations­raum.

Interview mit Marcel Ernst, ERNST BÜROARCHITEKTUR AG

Das Büro von morgen – was ist es für ein Ort?

Der Begriff «Brand Experience Space», der immer häufiger verwendet wird, bringt es meiner Ansicht nach recht gut auf den Punkt. Marke und Kultur eines Unternehmens müssen auch in seinen Räumlichkeiten sicht- und spürbar sein – sie müssen zum Erlebnis werden! So entwickelt sich das Büro mehr und mehr vom klassischen Arbeitsplatz zum Ort der Inspiration, der Begegnung und des Austauschs für die Mitarbeitenden. Hier sind sie ein Team, hier entwickeln sie gemeinsam neue Ideen und hier findet die Identifikation mit ihrem Unternehmen statt.

Sie sprechen von der Bedeutung einer gelebten Firmenkultur. Wie lässt sich diese fördern und pflegen?

Das Ziel muss grundsätzlich sein, die Mitarbeitenden zu stolzen, loyalen Markenbotschaftern zu machen. Und das gelingt nicht im Top-down-Prozess, sondern durch gemeinsame Erlebnisse, einen laufenden Austausch auf Augenhöhe sowie ein aktives Einbeziehen der einzelnen Teammitglieder in Prozesse und Veränderungen. Natürlich ist es sehr schwierig, eine starke Firmenkultur aufzubauen und zu erhalten, wenn die Mitarbeitenden alle dezentral oder im Homeoffice arbeiten. Denn ohne verbindende Events und den persönlichen Dialog nehmen die Identifikation mit der Firma und der Teamspirit spürbar ab. Gerade deshalb muss die Arbeitswelt vor Ort den Austausch und das Miteinander fördern.

Wie gelingt das?

Indem die Räume exakt auf die Bedürfnisse und den Alltag des jeweiligen Unternehmens und seines Teams abgestimmt werden. Und genau das gilt es schon ganz am Anfang, bei der ersten Bedarfsermittlung und Flächenbeurteilung, in der Planung zu berücksichtigen. Wir müssen und wollen unsere Kundinnen und Kunden richtig kennenlernen. Ihre Kultur verstehen. Denn erst wenn wir so denken wie sie, können wir unseren Job hervorragend machen.

Sie sehen also langfristig keine Zukunft im Modell «Homeoffice»?

Sicher wird Homeoffice auch in Zukunft seine Berechtigung haben, das will ich nicht bestreiten. Aber ich denke nicht, dass mehr als 40 Prozent der Belegschaft eines KMU permanent von zuhause arbeiten werden. Und weshalb? Weil Mitarbeitende die im Homeoffice arbeiten eben immer austauschbarer werden. Was ich erwarte, ist, dass der attraktive, moderne Arbeitgeber seinen Leuten künftig die Möglichkeit bietet, beispielsweise an gewissen Tagen pro Woche daheim zu arbeiten. Und jeder kann selbständig und flexibel entscheiden, welche Arbeiten er wo am besten erledigen kann. Sei es am Arbeitsplatz, in einer Rückzugszone im Office, unterwegs oder eben zuhause.

«Das Office von morgen muss zum «Brand Experience Space» werden, der die Firmenkultur widerspiegelt.»

Welche Zonen sollte eine moderne Arbeitswelt bieten – und weshalb?

Einerseits braucht es natürlich Bereiche, in denen konzentriert und ganz in Ruhe gearbeitet werden kann. Wichtig sind aber auch kollaborative Flächen, die über eine erweiterte Multimedia-Ausstattung verfügen. Also Projekträume oder Thinktanks mit digitalen Screens, mobilen Whiteboards und Co. für interaktive Besprechungen und kreative Brainstormings. Weiter braucht es je nach Raumstruktur Rückzugszonen wie Phone-Booths oder Lounges. Und natürlich muss ein Office auch genügend Raum bieten für Gespräche, für die Kaffeepause oder den Lunch-Break in entspanntem Ambiente. Und all diese Zonen sollten die Firmenkultur widerspiegeln – optisch wie auch funktional. Ausserdem müssen sie Platz bieten für Spontanität. Kreativ- und Begegnungsräume sollten laufend neu bespielt werden, um immer wieder von Neuem als Inspirationsquelle zu dienen.

Heute werden oftmals auch Mitarbeitende in den Prozess der Gestaltung ihrer zukünftigen Büros einbezogen. Wie finden Sie ein solches Vorgehen?

Ein breit abgestütztes Projektteam ist eine gute Sache. Schliesslich muss das Ergebnis den Arbeitsalltag des Teams bestmöglich abbilden und unterstützen. Man sollte die Mitarbeitenden also unbedingt aktiv in den Entwicklungsprozess involvieren. Aber: Das Management muss immer mit im Boot sein. Denn die finalen Entscheidungen sind «Chefsache». Sie müssen zwingend im Einklang mit der übergreifenden Unternehmensstrategie getroffen werden – und diese kennt die Unternehmensleitung besser als der einzelne Mitarbeitende.

Der Markt und Ihre Branche verändern sich laufend – nicht erst seit diesem aussergewöhnlichen Jahr. Welche Entwicklungen sind für Ihr «Daily Business» prägend?

Da gibt es natürlich zahlreiche relevante Tendenzen. Aber was ich als ganz wichtiges Thema aus den vergangenen Monaten mitgenommen habe, ist der grosse Trend «lokal vor global». Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde, und das widerspiegelt sich eben auch in den Menschen und Rohstoffen, mit denen wir arbeiten. Mehr denn je setzen wir bewusst auf ein Netzwerk von lokalen Spezialisten, auf Lieferanten aus der Region und Produkte aus der Schweiz. Einerseits profitieren wir dadurch von einer besseren Kommunikation und effizienteren Abläufen – man kennt sich, versteht sich, kann sich leichter vertrauen. Andererseits spürt man sehr gut, dass Experten von hier eben auch Know-how für diesen spezifischen Ort mitbringen. Das ist äusserst wertvoll.

Sie haben die Nachhaltigkeit angesprochen. Spielt diese auch in puncto Materialien vermehrt eine Rolle?

Auf jeden Fall. Wir merken, dass natürliche, ökologische und nachhaltig produzierte Materialien und Produkte immer gefragter sind. Heute setzt man lieber auf den teureren Granit aus Graubünden als auf das günstigere Importprodukt aus Asien. Und für Verputzarbeiten verwendet man immer häufiger Kalk- oder Lehmputze anstelle eines Kunststoffputzes.

Repräsentative Büroräume sind das eine – ein attraktiver Standort das andere. Was ist denn Ihrer Meinung nach die Top-Location in Zürich? Der Place to be für moderne Unternehmen?

Das lässt sich so nicht sagen. Vielmehr gibt es zwei Fragen, die jedes Unternehmen für sich beantworten muss: Wo erwartet mich der Kunde? Und wo finde ich die besten Leute? Diese Fragen sind es, die man bei der Wahl eines Firmenstandorts fokussieren sollte. Es ist nun mal so, dass eine Versicherung nicht ins selbe Umfeld passt wie eine Kreativagentur. Was rundherum passiert und welches «Feeling» man in der direkten Nachbarschaft bekommt, ist wichtig. Oder wie ich es ab und zu gerne ausdrücke: Der ideale Firmenstandort liegt nicht unbedingt am Arbeitsweg des Chefs.

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