Vertrauen gewinnt.
Ein Blick zurück auf das Frühjahr 2020:
Was war für Sie als Rechtsanwalt die grösste Challenge während dieser Zeit?
Mit der rasanten rechtlichen Entwicklung Schritt zu halten, war eine echte Herausforderung. Mehrmals kam es vor, dass eine rechtliche Einschätzung gegenüber einem Mandanten über Nacht hinfällig wurde, weil der Bundesrat eine neue Verordnung erliess oder eine bestehende Verordnung anpasste. So war es essenziell, jeden Abend zu prüfen, ob sich die Rechtslage wieder verändert hatte, und zu beurteilen, welchen Einfluss allfällige Änderungen auf meine Beratungstätigkeit und meine Mandanten haben könnten. Diese Phase war für mich als Anwalt zwar sehr spannend, aber auch anspruchsvoll.
Und wie erlebten Sie Ihre Mandantinnen und Mandanten?
Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich. Ein Teil ging die neue Ausgangslage sehr professionell an und versuchte, der schwierigen Situation etwas Positives abzugewinnen oder sogar einen zusätzlichen Profit daraus zu erzielen. Andere Mandanten hatten mit den neuen Umständen mehr Mühe. Mein Anspruch als ihr Anwalt war es, sie in dieser Zeit natürlich bestmöglich zu beraten und mich auch mal nach ihrem persönlichen Befinden zu erkundigen. Ich glaube, das wurde sehr geschätzt und erlaubte mir, die Nähe zu meinen Klienten nicht zu verlieren.
Es gab also trotz Ausnahmezustand auch positive, erfreuliche Erlebnisse?
Auf jeden Fall. Für mich war es eine Genugtuung, meine Klienten auch in dieser schwierigen Zeit unterstützen zu können. Aufgrund der langjährigen Vertrauensbeziehung, die ich mit vielen Mandanten pflege, wurde ich oft um Rat gefragt. Mehrfach auch in nicht juristischen Angelegenheiten. Es war schön zu sehen, dass ich gerade in dieser besonderen Situation nicht nur als Anwalt, sondern auch als Vertrauensperson wahrgenommen und geschätzt wurde. In gewisser Weise erhielt das Menschliche, Persönliche einen grösseren Stellenwert, während man sich physisch zwangsläufig distanzierte.
«Eine neue Klientenbeziehung ohne persönliche Treffen aufzubauen, ist eine riesige Herausforderung.»
Was ist Ihre Erfahrung:
Welche Bereiche Ihrer täglichen Arbeit lassen sich gut ohne physischen Kontakt erledigen – welche weniger?
Bei bestehenden Klienten lassen sich grundsätzlich alle Arbeiten ohne direkten Kontakt erledigen. Wenn eine Klientenbeziehung aber von Grund auf aufgebaut werden muss, wird es ohne persönliches Treffen schwieriger. Es ist nun einmal so, dass man sich Face to Face besser kennenlernt und der Vertrauensaufbau dadurch erleichtert wird. Unser Business ist und bleibt ein People-Business.
Inwiefern veränderte sich Ihre Arbeit thematisch?
Ich wurde auf einmal mit Fragen rund um das Thema Kurzarbeit konfrontiert. Und ich musste für Mieter oder Vermieter, welche von den behördlichen Zwangsschliessungen besonders betroffen waren, eine vernünftige Regelung finden. Mehr denn je waren schnelle, sehr unkomplizierte und natürlich faire Lösungen gefragt.
Seit dem Lockdown wurde «Remote Work» quasi zur neuen Normalität.
Dabei bringt diese Art zu arbeiten nicht nur Vorteile mit sich. Wie sehen Sie das?
Je länger ein Team schon zusammenarbeitet, desto besser funktioniert «Remote Work». Man kennt und versteht sich bestens und ist nicht darauf angewiesen, sich täglich zu sehen. Ich glaube sogar, dass regelmässiges Homeoffice in gut eingespielten Teams und mit langjährigen Mitarbeitenden zu einer Effizienzsteigerung beitragen kann. Man spart Reisezeit und wird bei der Arbeit zuhause tendenziell weniger unterbrochen. Anders sieht es bei neuen Mitarbeitenden aus, die sich erst noch einleben und ihren Platz in der Firma finden müssen. Dafür ist ein persönlicher Austausch am Arbeitsplatz ganz wichtig.
Und wie wirkt sich das dezentrale Arbeiten auf den Teamspirit aus?
Bei der Verordnung von «Remote Work» muss meiner Ansicht nach unbedingt darauf geachtet werden, dass die Pflege der Unternehmenskultur nicht verloren geht. Je mehr von zuhause aus gearbeitet wird, desto häufiger sollten gemeinsame Treffen und Events durchgeführt werden. Ansonsten droht eine Entfremdung innerhalb des Teams. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Umstand, dass im Homeoffice die spontanen Begegnungen und der tägliche Austausch unter Arbeitskollegen wegfallen. Das kann dazu führen, dass man gewisse Fakten, Entwicklungen und Veränderungen, die auf den ersten Blick womöglich unwichtig scheinen, gar nicht mitbekommt. Und das wiederum wirkt sich negativ auf den Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft aus.
Welche rechtlichen Herausforderungen bringt die Arbeit im Homeoffice mit sich?
Je nach Familienkonstellation ist es einem Mitarbeitenden nicht möglich, die Arbeit zuhause konzentriert und in Ruhe auszuführen. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber bei verordnetem Homeoffice akzeptieren, dass der Arbeitnehmende weniger produktiv ist als sonst. Ausserdem müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden die notwendige Infrastruktur zuhause zur Verfügung stellen, wenn das Homeoffice angeordnet wird. Generell erfordert das Ganze vom Arbeitgeber eine grosse Portion Vertrauen, da eine Kontrolle der Arbeitstätigkeit aus der Ferne schwierig zu bewerkstelligen ist.
Ihre Prognose für 2021:
Welche Entwicklungen erwarten Sie im Hinblick auf Ihre Branche und Ihren Kompetenzbereich im Speziellen?
Das ist schwierig vorauszusagen. Ich bin aber zuversichtlich, dass gerade Anwaltskanzleien in dieser Zeit gefragt und gefordert sein werden. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik erwarte ich auch, dass der Immobiliensektor attraktiv bleiben und uns Immobilienspezialisten weiterhin viel Arbeit bringen wird.
Und was ist Ihre Prognose? Unterhalten wir uns darüber.
Adrian Hirzel
Blum&Grob Rechtsanwälte AG
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